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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 8 WF 191/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1638
BGB § 1778
Zur Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft, wenn der Erblasser den Eltern der Erben die Vermögensverwaltung nach § 1638 Abs. 1 BGB entzogen und angeordnet hat, dass einem Testamentsvollstrecker auch die Vermögenssorge obliegen soll.
8 WF 191/06 8 WF 195/06

Beschluss

In der Familiensache

betreffend das Kind A. geb. am 29. September 1997,

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 23. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kindesmutter B gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 14. August 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Wirkungskreis der Ergänzungspflegschaft wie folgt bestimmt wird:

Wahrnehmung der Vermögenssorge für das Kind A, geboren am 29. September 1997, soweit diese das Miterbe des Kindes nach dem Tode des Herrn C, verstorben am 21. April 2006 in Z/Schweiz betrifft.

Die Beschwerde der Frau B gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Norderstedt vom 6. September 2006 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3000 € festgesetzt.

Gründe:

1. Der am 21. April 2006 in Zürich verstorbene Erblasser C hat testamentarisch seine Enkelsöhne A, geboren am 29. September 1997, und D, geboren am 27. August 2002, zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt, die Testamentsvollstreckung angeordnet, den Rechtsanwalt E zum Testamentsvollstrecker bestimmt, die Eltern der zu Erben eingesetzten Enkelkinder im Hinblick auf den Nachlass von der Vermögenssorge ausgeschlossen und verfügt, dass die alleinige Vermögenssorge dem Testamentsvollstrecker obliegen soll (§ 5 des notariellen Testaments vom 10. Juni 2004, Urkundenrolle Nr. 1326/2004 H des Notars F, nicht berührt durch die Änderung im notariellen Testament vom 20. April 2006, Urkundenrolle Nr. 747/2006 des Notars F).

Das Amtsgericht - Familiengericht - Norderstedt hat durch Beschluss vom 14. August 2006 eine Ergänzungspflegschaft für A angeordnet mit dem Wirkungskreis: "Verwaltung des Vermögens, das der Minderjährige von Todes wegen nach dem Erblasser C (verst. 21.04.2006) erhalten hat, da dieser die Eltern durch Testament von der Vermögenssorge ausgeschlossen hat". Durch Beschluss vom 6. September 2006 hat das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Norderstedt die Rechtsanwältin G zur Ergänzungspflegerin bestellt. Gegen die Pflegerauswahl haben die Beschwerdeführerin und der Testamentsvollstrecker Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Kiel hat mit Beschluss vom 26. Januar 2007 (3 T 369 und 441/06) das dortige Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über die Beschwerde der Frau B, der Mutter des Miterben A, durch den Senat ausgesetzt.

Die Kindesmutter wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Beschlüsse vom 14. August 2006 und vom 6. September 2006. Sie trägt vor, es bestehe, weil Rechtsanwalt E zum Testamentsvollstrecker mit dem Recht zur alleinigen Vermögenssorge ernannt worden sei, kein Bedürfnis für die Anordnung einer Pflegschaft. Die Bestellung von Rechtsanwältin G zur Ergänzungspflegerin widerspreche dem Willen des Erblassers.

Sie beantragt,

den Beschluss vom 14.08.2006 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beschluss vom 06.09.2006 dahingehend abzuändern, dass Herr Rechtsanwalt E, Neuer Wall 86, 20318 Hamburg, als Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis aus dem Beschluss des Familiengerichts vom 14.08.2006 bestellt wird,

hilfsweise,

den Beschluss vom 6. September 2006 dahingehend abzuändern, dass Herr Rechtsanwalt H als Ergänzungspfleger für A bestellt wird.

Der Testamentsvollstrecker unterstützt die Beschwerde und ist der Auffassung, es bestehe kein Grund, ihn nicht zugleich zum Ergänzungspfleger zu bestellen; die Belange der Erben seien dadurch gewahrt, dass er den Eltern Auskunft erteile und Rechenschaft lege. Es würde dem Willen des Erblassers widersprechen, einen Ergänzungspfleger einzusetzen, der nicht mit den Testamentsvollstreckerpersonen identisch wäre. Ein Interessenkonflikt drohe nicht, denn er verwalte den Nachlass treuhänderisch für die Erben.

2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

a) Die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluss vom 14. August 2006 richtet, den das Amtsgericht als Familiengericht erlassen hat, ist zulässig: Für Beschwerden gegen Entscheidungen der Familiengerichte eröffnet § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG den Rechtsweg zum Oberlandesgericht. Für die Bejahung einer Beschwer der Beschwerdeführerin reicht deren Behauptung, es habe eine Ergänzungspflegschaft gar nicht eingerichtet werden dürfen, nachdem durch den Erblasser bestimmt worden sei, die Vermögenssorge solle dem Testamentsvollstrecker obliegen. Die Beschwerdeführerin trägt damit vor, es sei auf rechtswidrige Weise in ihr Sorgerecht eingegriffen worden. Rechtswidrige Beschränkungen der elterlichen Sorge aber beschweren einen Sorgerechtsinhaber selbst dann, wenn das Sorgerecht aus anderen Gründen mit ähnlicher Wirkung wie derjenigen der rechtswidrigen Maßnahme eingeschränkt bzw. einzuschränken wäre (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1342 f.).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn die Anordnung des Erblassers, die Vermögenssorge hinsichtlich des Erbes solle dem Testamentsvollstrecker obliegen, vermag nicht die Vertretungslücke zu schließen, die der Erblasser hinsichtlich der Vermögenssorge über das Erbe dadurch geschaffen hat, dass er die Eltern der Erben nach § 1638 Abs. 1 BGB von der Vermögenssorge ausschloss. Zwar räumt § 1917 Abs. 1 BGB dem Erblasser die Möglichkeit ein, einen Dritten zu benennen, der die den Eltern vorenthaltene Vermögenssorge als Pfleger wahrnimmt, stellt aber diese Bestimmungsbefugnis des Erblassers unter die Berufungshindernisse des § 1778 BGB. Nach § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB darf der zum Vormund Berufene ohne seine Zustimmung nur übergangen werden, wenn seine Bestellung das Wohl des Mündels gefährden würde. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob bislang hinreichende Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, eine solche Gefährdung könnte sich aus einem bloßen Interessengegensatz zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben ergeben. Von entscheidendem Ausschlag ist vielmehr, dass bei Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger die rechtliche Handlungsfähigkeit der Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker nicht gegeben wäre: Entgegen der Rechtsauffassung des Testamentsvollstreckers können nämlich die Eltern der minderjährigen Erben diese nicht kraft eines unberührt gebliebenen übrigen Sorgerechts gegenüber dem Testamentsvollstrecker, bezogen auf das Erbe, vertreten. Ihre Vermögenssorge erstreckt sich nach § 1638 Abs. 1 BGB gerade nicht auf das Vermögen, das sie nicht verwalten sollen, die Ausschließung von der Vermögenssorge durch den Erblasser nimmt den Eltern für den vom Erblasser bestimmten Geltungsbereich die Vermögenssorge einschließlich des Vertretungsrechts (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1638 Rdnr. 8). Die Eltern können daher z. B. nicht die Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB beantragen (BGHZ 106, 96 ff.) und haben keine Kontrollbefugnisse, weder als gesetzliche Vertreter (Münchener Kommentar/ Huber, BGB, 4. Aufl., § 1638 Rdnr. 18) noch - mangels gesetzlicher Grundlage - aus eigenem Recht (Erman/Michalski, BGB, 10. Aufl., § 1638 Rdnr. 10). Innerhalb der als gesetzliches Schuldverhältnis ausgestalteten Rechtsbeziehung zwischen Testamentsvollstrecker und Erbe (vgl. § 2218 BGB) müsste der Testamentsvollstrecker sich selbst gegenüber rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, was gegen § 181 BGB verstieße, und sich selbst kontrollieren, was den Vermögensinteressen der Erben zuwiderliefe. Ein Erblasser kann daher nicht mit bindender Wirkung bestimmen, dass ein Testamentsvollstrecker zugleich Ergänzungspfleger sein soll (zur Unvereinbarkeit beider Ämter vgl. Münchener Kommentar/Zimmermann, a. a. O., § 2215 Rdnr. 9; Münchener Kommentar/ Schwab, a. a. O., § 1917 Rdnr. 5; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122 ff.). Die Vermögenssorge über das Erbe war mithin vakant, so dass das Familiengericht zu Recht die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 Abs. 1 BGB angeordnet hat.

Zur Vermeidung von Missverständnissen fasst der Senat die Beschreibung des Wirkungskreises der Ergänzungspflegschaft neu. Die vom Familiengericht im Beschluss vom 14. August 2006 gewählte Formulierung ("Verwaltung des Vermögens, das der Minderjährige von Todes wegen von dem Erblasser C (verst. 21.04.2006) erhalten hat, da dieser die Eltern durch Testament von der Vermögenssorge ausgeschlossen hat") erweckt den Eindruck, als hätte sich neben dem Testamentsvollstrecker auch ein Ergänzungspfleger mit der Verwaltung des Erbes zu befassen. Die Verwaltung des Nachlasses erfolgt jedoch ausschließlich durch den Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB), die Ergänzungspflegschaft dagegen behebt die auf das Erbe bezogene Vertretungslosigkeit und setzt die Kinder in den Stand, ihre Rechte aus dem durch die Testamentsvollstreckung begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis wahrzunehmen und z. B. über den Erbteil als Ganzes - nicht über einzelne Nachlassgegenstände - zu verfügen (vgl. Palandt/Edenhofer, a. a. O., § 2211 Rdnr. 1).

b) Zur Entscheidung über die hilfsweise erhobene Beschwerde gegen den vom Vormundschaftsgericht erlassenen Beschluss vom 6. September 2006 fehlt dem Senat die sachliche Zuständigkeit (vgl. § 119 Abs. 1 GVG). Die hilfsweise eingelegte Beschwerde war deshalb als unzulässig zu verwerfen. Mit den von der Beschwerdeführerin und dem Testamentsvollstrecker gegenüber dem Vormundschaftsgericht unbedingt eingelegten Beschwerden betreffend die Bestimmung des Ergänzungspflegers befasst sich im Übrigen bereits das nach § 72 GVG zuständige Landgericht Kiel.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, 2 Nr. 1, 30 Abs. 3 KostO. Bei der Wertfestsetzung hat der Senat berücksichtigt, dass zwar einerseits nur für einen geringen Teilbereich der gesamten elterlichen Sorge eine ergänzende Regelung zu treffen war, dass dieser aber andererseits wegen der Höhe des ererbten Vermögens und sich andeutender rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Erben und ihrem Vater erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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